Rheinlandtaler an Edelweißpiraten

»Auf Beschlusss des Kulturausschusses vom 31.01.2007, werden die
Edelweißpiraten, Frau Gertrud Koch, Herr Jean Jülich und Herr Peter
Schäfer für ihre Verdienste um das multinationale Zusammenleben und
friedliche Miteinander im Rheinland mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet.«

Mit dem Rheinlandtaler ehrt der Landschaftsverband Rheinland (LVR) seit
1976 Menschen, die sich in besonderer Weise um die kulturelle Entwick-
lung des Rheinlands verdient gemacht haben.

Die namentlich Geehrten, sind seit vielen Jahren in Schulen und bei
öffentlichen Veranstaltungen zu Gast, um als Zeitzeuge über ihre Zeit
als Edelweißpiraten und ihre Auseinandersetzung mit dem Nazi-Staat zu
berichten. Insbesondere sorgte ihre Mitwirkung beim Edelweißpiraten-
Musikprojekt »Es war in Schanghai«, bei der Edelweißpiratentour des
Humba e.V. 2004 sowie den großen Edelweißpiratenfestivals 2005 und
2006 für sehr bewegende Lektionen erlebter Geschichte.

Mucki, Jean und Peter legen Wert darauf, dass sie die Ehrung auch
stellvertretend für all jene rheinischen Freunde und Schicksalsgenossen
annehmen wollen, die sich in ähnlicher Form gegen die Nazidiktatur
aufgelehnt haben.

Die Verleihung findet am 23.05., 18.00 Uhr im Rheinlandsaal des
Landeshauses in Köln-Deutz statt (leider nur für geladene Gäste).

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Vorschlagsbegründung zum Rheinlandtaler 2007

Sehr geehrte Damen und Herrn,

hiermit schlage ich vor, das Engagement der Edelweißpiraten, als
politische und kulturelle Widerstandsbewegung gegen die Nazidiktatur,
durch die Verleihung des Rheinlandtalers zu ehren. Die Edelweißpiraten
und verwandte Jugendgruppen engagierten sich insbesondere in den
Ballungsräumen des heutigen Rheinlands gegen den Terror des Hitler-
Regimes. Stellvertretend für die Edelweißpiraten-Bewegung sollen die
folgenden Personen gemeinsam ausgezeichnet werden, die sich auch
in aktueller Zeit durch kulturelle und politische Aktivitäten verdient
gemacht haben.

Gertrud "Mucki" Koch, 50733 Köln, geb. am 01.06.1924
Jean Jülich, 50678 Köln, geb. am 18.04.1929
Peter Schäfer, 50937 Köln, geb. am 12.02.30

Von den Nazis wurden die Edelweißpiraten verfolgt, weil sie nicht bereit
waren, sich der vorgegebenen faschistischen Kultur anzupassen. Dies
äußerten sie durch ihre Kleidung, ihre "wilden" Fahrten, und insbesondere
ihr Liedgut, das für die Gruppen von besonderer Bedeutung war. Sie
weigerten sich, Mitglieder der Hitlerjugend zu werden, verteilten regime-
feindliche Flugblätter und in griffen einigen Fällen auch zu massiveren
zivilen Widerstandsformen. Körperliche Auseinandersetzungen mit der
sie jagenden HJ waren fast an der Tagesordnung.

Wie wesentlich den Nazis die Unterdrückung des Liedgutes war, zeigt
folgendes Zitat: "In dieser Hinsicht bezeichnend ist die Urteilsbegründung
des Sondergerichts im September 1943 gegenüber acht Kölner Edelweiß-
piraten wegen "jugendbündnerischer Betätigung". Darin wurde als be-
lastendes Element ausdrücklich auf die Zusammensetzung des Liedgutes
hingewiesen: "Die Lieder waren zum großen Teil bündischem Liedgut
entnommen".

So sang man viele Lieder, die die Verherrlichung asiatischen oder mexi-
kanischem Volks- oder Heldentums zum Gegenstand hatten. "Die acht
Jungen wurden bis zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt -..."*
(Zitat Ende). *"Es war in Schanghai" Köln 2004, S. 26

Alle drei Vorgeschlagenen Zeitzeugen sind von der Gestapo verhaftet
und im Kölner ELDE-Haus sowie in der Abtei Brauweiler verhört und
gefoltert worden.

Mucki Koch und Jean Jülich sind schon seit Jahren in rheinischen Schulen
und bei Jugendverbänden zu Gast, um als Zeitzeuge über ihre Zeit als
Edelweißpiraten und der Auseinandersetzung mit dem Nazi-Staat zu
berichten. Seit der großen Ausstellung des NS-Dokumentationszentrum
Köln in 2003 / 2004 "Von Navajos und Edelweißpiraten - unangepasstes
Jugendverhalten in Köln 1933-1945" ist auch Peter Schäfer gemeinsam
mit den Vorgenannten unterwegs, um der heutigen Jugend als Zeitzeugen
in Wort und Lied politische Bildung zu vermitteln.

Durch das große Engagement der drei Vorgeschlagenen war es möglich,
dass auch jüngere Kölner sowie junge Musiker unterschiedlichster Herkunft,
sich mit der Musik und den Liedern der Edelweißpiraten auseinandersetzten
konnten.
Viele danach entstandene Neuinterpretationen sind in dem CD/Buch/DVD
»Es war in Schanghai« dokumentiert.
Diese Projekt wäre ohne das große Engagement und die Wort- und
Musikbeiträge der hier vorgeschlagenen Zeitzeugen genauso wenig
möglichgewesen, wie die Edelweißpiratentour 2004 oder die großen
Edelweißpiratenfestivals 2005 und 2006 im Kölner Friedenspark mit
jeweils ca. 20 verschiedenen Musikgruppen und ca. 5.000 Besuchern.
Ein wichtiges Produkt aus dieser Zeit ist ein "Edelweißpiraten-Musical",
entwickelt und aufgeführt (auch außerhalb von Köln) durch Kinder und
Jugendliche aus mindestens sieben verschiedenen Nationen. Auch dieses
Projekt einer Kölner Jugendeinrichtung (OT) - basiert auf den Berichten
und Liedern der Zeitzeugen. Ein schönes Beispiel praktischer politischer
Bildung.

Soviel zu einigen kulturellen und politischen Aktivitäten der
Vorgeschlagenen in Vergangenheit und Gegenwart.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Peil
Mitglied der Landschaftsversammlung Rheinland

Literatur (ausgewählte):
Koch, Gertrud . Edelweiß; Meine Jugend als Widerstandskämpferin,
Rowohlt 2006
Jülich, Jean; Kohldampf, Knast un Kamelle;
KiWi 2003
Rüther, Martin; Krauthäuser, Jan Ü.; Ott, Rainer G (Hrsg.).: "Es war in
Schanghai" - Kölner Bands interpretieren Edelweißpiraten - Buch/CD/DVD,
NS-Dok Köln 2004